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1963 – 82: Cowboy spielen im Teutoburger Wald
Meine Kindheit verbrachte ich im Teutoburger Wald, der am Ende unseres Gartens begann. Ich liebte Tiere über alles. In einem Versteck auf dem Dachboden häufte ich eine beachtliche Sammlung von Tierschädeln und Knochen an, die ich im Wald fand. Ich wollte nicht Designerin werden, sondern Cowboy. Daher galt meine besondere Leidenschaft natürlich den Pferden (Kühe hüten spielte in den Vorstellungen von meinem Traumberuf zunächst keine vorrangige Rolle).
Als ich erwachsen wurde – also etwa mit 5 Jahren – lernte ich, dass es mit der Karriere als Cowboy in Deutschland schwierig werden würde. Das war der bei weitem kompliziersteste Abschnitt meines beruflichen Werdegangs.
1982 – 85: Werbung und Zivilisation
Da ich Tiere nicht nur sehr liebte, sondern auch recht gut zeichnen konnte – besonders Pferde – bewarb ich mich nach dem Abitur um eine Lehrstelle als Grafikdesignerin in der Bielefelder Werbeagentur Special Design. Die fanden auch, dass ich gut Pferde zeichnen konnte und stellten mich ein.
Die Menschen in der Agentur waren freundlich zu mir und haben mir viel Wertvolles beigebracht, handwerklich – ich spreche von der Zeit vor dem Einzug der Computer – wie gestalterisch. Vor allem aber haben sie mir bei der Kommunikation mit anderen Menschen geholfen.
Als frische Druckvorlagenherstellerin war ich reif für das Studium.
1985 – 88: Nestflucht
Darmstadt schien mir weit genug von meiner Heimatstadt Bielefeld entfernt, um ein neues Leben anzufangen. Dieses begann in der Jugendherberge am Woog und in der wunderschönen Umgebung der Mathildenhöhe, zwischen Jugendstil und Bauhaus, am Fachbereich Visuelle Kommunikation der FHD. Auch hier standen noch keine Computer auf den Tischen, wir kritzelten das Jahr 1985 noch mit dem Bleistift.
Ich zeichnete jetzt keine Pferde mehr, hatte aber nach wie vor viel Freude an der Illustration und war bis dahin einem gegenständlichen Realismus treu geblieben.
Um diesen abzuschütteln folgte ich nach dem Abschluss des Grundstudiums dem Ruf nach Berlin. Die HdK (heute UdK) nahm nicht gerne Wechsler von Fachhochschulen (“zu berufsorientiert”), aber ich war hartnäckig. Ein Jahr lang habe ich Schweine gemalt, gezeichnet, gebaut und meine Berufsorientierung in die Schranken meiner freiberuflichen Tätigkeit verbannt, mit der ich meinen Unterhalt bestritt. Im Januar 1989 betrat ich dann als ordentlich eingeschriebene Studentin die heiligen Hallen der HdK.
Die kompletten Werke aus der Serie Schweine landeten in dem 1989 eröffneten Schweinemuseum in Stuttgart.
1989 – 93: Maremagnum
Im Maremagnum der HdK entdeckte ich in den folgenden Semestern 3 Schatzinseln, an denen die roten Fäden meines zukünftigen Schaffens begannen:
Katakombe 1
Die erste dieser wegweisenden Entdeckungen machte ich im Keller unter einem Nebengebäude des Hochhauses am Einsteinufer. In den Video- und Animationsstudios von Fred Wagenknecht experimentierten wir am Amiga 500 mit dem Mal- und Animationsprogramm D-Paint III. Die Möglichkeit, bewegte Bilder zu produzieren zog mich sofort magisch an. Die digitale Welt öffnete hier ihre Pforten und dem traditionellen Zeichentrickfilm ungeahnte Perspektiven. Wir speicherten unsere Werke auf 3,5″ Disketten – Programm inklusive – da der Amiga 500 noch über keine interne Festplatte verfügte.
Katakombe 2
Der zweite der bedeutenden Ausgangspunkte war mehr ein verstreutes Archipel, was kontinuierlich weitere Landmassen bildete. Die beiden ursprünglichen Hauptinseln bildeten der Schrottplatz an der Gotzkowskybrücke und die Metallwerkstatt von Prof. Maier in den Katakomben unter dem HdK-Gebäude am Einsteinufer. Ich lernte bohren, schneiden, feilen, sägen, schweißen, nieten und wie man sich in der Falzmaschiene nicht die Finger zerquetschte.
Der Schrottplatz an der Spree war eine unerschöpfliche Quelle von Inspiration und Material. Ihm entstammten die meisten der Teile, aus denen ich Ende 1989 das Bühnenbild für Kassandra zusammenfügte, eine experimentelle Theaterinszenierung von Gudrun Siegler. Die Erfahrung mit der Bühnengestaltung sollten die entscheidende Grundlage bilden für eine umfangreiche Museumsgestaltung, mit der ich zwei Jahre später beauftragt wurde.
Bühnenbild für KassandraDas Archipel ist im Laufe der Jahre beinah zu einem Kontinent gewachsen und manchmal wird es schon mühsam, noch den Strand zu sehen.
Der Käfig
Die dritte Schatzkammer war ein Käfig und ist es bis heute geblieben. Im Hauptgebäude der HdK in der Hardenbergstraße befand sich der erste Computerraum. Hinter einer Gittertür standen die ersten Macs und ein Videoschnittplatz. Zugang hatten dort in die Materie eingeweihte Studenten von Joachim Sauter, der eigens für die Lehre der neuen Medien nach Berlin gekommen war. Der Käfig entpuppte sich als eine Vulkaninsel. Jede technische Weiterentwicklung verursachte eine Explosion im Inneren, die die Landfläche mit ungeheurer Geschwindigkeit vergrößerte.
Die Computer liefen oft rund um die Uhr und ob des großen Andrangs verlegten einige Studenten – darunter ich – ihre Arbeitszeiten in die Nachtstunden. Einige arbeiteten mit Hypertext, dazu kam bald Lingo, andere mit Quark Express, 3D Programmen oder Avid. Die Möglichkeiten waren enorm und wir fantasierten ständig über die Frage, wie sich der Computer, die Medien, wir und die Welt durch diese neue Technologie verändern würden. Die meisten dieser Vorstellungen sind zu heutigen Zeitpunkt natürlich weit überholt.
Eine dieser Fantasien wurde zu meinem Diplomthema. Im Dezember 1991 präsentierte ich Das digitale Buch, Literatur an digitalen Medien, eine Utopie über das Lesen und Schreiben an elektronischen Medien. Das Projekt entstand aus einer umfangreichen Studie der Geschichte von Information und Kommunikation. Der elektronische Leseapparat benutzt ein eigenes System von Schritzeichen und ist eingebunden in ein Modell von elektronischen Bibliotheken. Den Bogen von den Anfängen der Schriftverbreitung bis in die utopische Zukunft spannt Johannes Gutenberg höchstselbst mit einer Zeitreise.
Mit der Euphorie über die Möglichkeiten der neuen Medien wuchsen auch sehr schnell die Zweifel und Ängste vor deren Folgen. Die Diplomarbeit hatte mir die Tür geöffnet, ein Meisterschüler-Jahr zu absolvieren. Ich nutzte diese letzten zwei Semester an der HdK, um die fragwürdigen Seiten der Entwicklung zu beleuchten. Das abschließende Projekt, Kommunikaze, ist eine Studie über den sozialen Wandel im Bereich der Kommunikation seit der Entwicklung der elektronischen Medien und wird präsentiert in einer interaktiven Installation mit Video und Computeranimation.
1990 – 96: Ein Traum von Amerika
In Kolumbien gibt es viele interessante Orte, die ich bedauerlicherweise nicht besucht habe. Stattdessen durchwühlte ich Schrottplätze in Cali. Dort fiel mir eines Tages eine neuer alter Werkstoff in die Hände: ein Kuhschädel. Vielleicht war es auch umgekehrt. Ich hatte schon öfter den Eindruck, dass es die Knochen sind, die mich heimsuchen und sich mir zeigen, während sie anderen Augen verborgen bleiben. Der Kuhschädel, den ich unter rostigen Autoteilen aus einem Haufen Schutt hervorzog, wurde zum Ausgangspunkt für einen neuen roten Faden in meinem Schaffen.
Seit 1990 verbrachte ich jedes Jahr mehrere Monate in Kolumbien zusammen mit meiner Freundin und Studienkollegin Vicky Eckert. Wir sogen Wärme, Urwald und Musik in uns auf, entwickelten Illusionen und neue Sichtweisen auf das Leben in Europa und das Land wurde für mich zu einer Oase künstlerischer Freiheit und Aufbruchstimmung.
Meine Spanischkenntnisse machten sprunghafte Fortschritte, als ich 1991 auf Drängen der Direktion einen Kurs für Computeranimation am Instituto Departamental de Bellas Artes in Cali hielt. Den zweiten Kurs Interaktive Animation mit Macromedia Director hielt ich 1996 an der Universidad del Valle.
Collagen und Illustrationen, aus Kolumbien, 1990Mit meinem Umzug im Februar 1997 nach Barcelona endete die Phase der Reisen nach Kolumbien, aber die Geschichte von den Knochen hatte eben erst begonnen.
1993 – 95: Museum anfassen
Kurz nach dem Abschluss des Studiums betraute mich die Agentur Geyer (Bielefeld) mit der Gestaltung zwei regionaler Museen für die Stadt Paderborn. Das Historische Museum und das Naturkundemuseum sollten zur Landesgartenschau im April 1994 im Marstall der ehemaligen bischhöflichen Residenz in Schloß Neuhaus eröffnet werden. Von Ausstellungsdesign hatte ich bis dato keine Ahnung. Meine Vorkenntnisse mit räumlichen Gestaltungsaufgaben beschränkten sich im wesentlichen auf ein Bühnenbild für eine experimentelle Theaterinszenierung, das ich 1991 aus Schrott zusammengeschweißt hatte. Für die Agentur Geyer arbeitete ich seit 1985 freiberuflich und Hajü Geyer hatte vollstes Vetrauen in meine Abenteuerlust.
Zunächst stand die Entwicklung des Projekts an. Wir klapperten Museen ab, recherchierten, studierten die bis dahin erarbeiteten Inhalte. Ich hatte gestalterisch freie Hand. Das Projekt war gut. Wir präsentierten es vor dem Kulturausschuss der Stadt Paderborn und der Vorschlag wurde angenommen. Die Agentur wurde mit der Realisierung beauftragt.
Meine Abenteuerlust wurde an steilen Klippen auf die Probe gestellt. Museumspädagogik, Aufarbeitung der Inhalte sowie Planung und Gestaltung der Präsentationselemente waren hier seichte Ufer im Vergleich zu den Bereichen wie Raumplanung, Modellbau, Vitrinentechnik, Koordination und Überwachung. Ein Highlight war die Einrichtung einer Siebdruckwerkstatt, in der wir die Informationstafeln aus Plexiglas mit Texten und Grafiken bedrucken konnten. Die großen Tafeln und viele der Holzbauten wurden von den beiden Handwerkern in der benachbarten Werkstatt mit bewundernswerter Geduld und Präzision ausgeführt. Die zweijährige Geburt und Aufzucht der beiden Museen war einer der aufregensten Aufträge, die ich bis heute ausgeführt habe.
1997 – 2011: Mar y montaña (Meer und Berge)
Nach Abschluss der Museen konnte ich mich wieder mal ernsthaft mit meinem Wunsch, ins Ausland zu gehen, beschäftigen. Der Entschluss fiel im Sommer 1996 in Kolumbien und am 1. Februar 1997 landete ich in Barcelona.
Mein erster und für lange Zeit bedeutenster Kunde wurde LAVOLA, ein Unternehmen aus dem Umweltsektor mit damals noch unter 20 Mitarbeitern. Müll, Wasser- und Landschaftsschutz, Energie und Mobilität sind die Themen; institutionelle Kampagnen, didaktisches Material und Ausstellungen die Aufgaben.
1999 kam in der Zusammenarbeit mit LAVOLA zum ersten Mal das Thema Animation in den Fokus. Für die Diputation von Barcelona sollte im Rahmen einer Umweltmesse in Barcelona in einem 5-minütigen Video der Energieverbrauch von regionalen und importierten Konsumgütern im Vergleich gezeigt werden.
In Ausstellungen gewinnt die interaktive Animation als spielerisches Medium an Bedeuteung. Breitband und Flash sei Dank setzt sich die Tendenz schnell im Internet fort. 2000 nahm ich eine Auszeit von mehreren Monaten um mir im Selbststudium die für die Programmierung von interaktiven Anwendungen notwendigen Grundkenntnisse anzueignen. Zunächst frischte ich meine angestaubten Kenntnisse von Lingo und Director wieder auf und verwendete Flash nur als Animationswerkzeug. Actionscript nahm ich als Schwerpunkt erst auf, als sich deutlich abzeichnete, dass Director und Lingo sich im Netz nicht durchsetzen würden. Die Entwicklung von interaktiven Anwendugnen mit Flash und Actionscript wurden zu meinem beruflichen Schwerpunkt und sind es bis zu meiner Rückkehr nach Berlin 2011 geblieben.
In Barcelona fanden mich auch die Knochen wieder. Auf einer Reise nach Bilbao schlossen sich mir 15 Schafsschädel an, die am Puente de la Reina, in der Nähe von Jaca, im Flussbett des Río Aragón in der Sonne dörrten. Im folgenden Frühjahr gesellte sich das komplette Skelett einer Kuh dazu. Sie hatte im Winter zuvor in einer Bergfalte in der Garrotxa den Tod gefunden und wartete am Wegesrand geduldig auf mein Kommen. Das ganze Viehzeug fügte sich zwei Jahre darauf in mehreren Skulpturen in einer Ausstellung unter dem Titel Milch & Wolle zusammen, die meine ehemalige Studienkollegin Ingeborg Scheer von März bis Juni 2000 in ihrer Agentur Dasign organisierte. 13 Bojen mit den Schafsköpfen und Propellern entschwanden ein Jahr darauf ins Mittelmeer.
Barcelona ist eine schöne Stadt, aber laut. Mein Freund und Partner, Pep Rimbau, und ich zogen Anfang 2005 nach Caldes de Malavella. Das hübsche Dorf liegt ca. 20km von Girona entfernt unweit der Costa Brava. Wir pflanzten Petersilie und Kürbisse. Aber vor allem beschäftigten wir uns mit Bauarbeiten an dem alten Haus mitten im historischen Ortskern. Nach 5 Jahren überwältigte mich dort wieder die Sehnsucht nach der Großstadt, und zwar nach Berlin. Ein leises Heimweh hatte mich die ganzen Jahre begleitet und im Februar 2011 zog ich nach 15 Jahren wieder in meine alte Heimat zurück.
since 2011: wieder in Berlin
Während einiger Jahren produzieren Pep und ich jeweils zum Jahreswechsel einen Animationsfilm. Fum fum fum, Kommet ihr Hirten, Winter Ade und Pencil Castle sind der Jareszeit gewidmet und glänzen mit absurden bis politisch unkorrekten Inhalten. Die Musik für unsere Kurzfilme zaubert Frank Neumann – obgleich der Weihnachtslieder überdrüssig – mit immer wieder überraschenden Ergebnissen.
Im Sommer 2012 begann ich, in meiner Wohnung in Berlin ein Stop Motion Studio einzurichten. Nach ersten Ansätzen in den vergangenen Jahren möchte ich tiefer in dieses Feld der Animation eintauchen. Auf der einen Seite ist die Technik machbarer (und damit populärer) geworden durch die immer leichter werdende Verbreitung von Videoinhalten im Internet. Auf der anderen Seite kommen zu den allgemeinen Arbeitsbereichen wie Script, Storyboard, Ton und Schnitt in der Stop Motion Animation Aufgaben hinzu, die mir nahe liegen und Spaß machen: bauen, basteln, Materialien beleben.
Von Oktober bis Dezember 2012 ist hier der erste Kurzfilm No Tannenbaum komplett in Stop Motion Technik entstanden. Seit 2015 verlagert sich mein Arbeitsschwerpunkt langsam aber stetig hin zu der Durchführung künstlerischer Workshops im Bereich Animation. Im Studio führe ich Workshops durch mit max. 4 Teilnehmern, meistens aus dem professionellen Umfeld. In Zusammenarbeit mit Künstlerinnen realisiere ich Animationsworkshops mit Jugendlichen im Kontext von Schulprojekten, sowie mit Studierenden.
Stop Motion Projekte und auch die Workshops sind auf der Website doromotion.com mit viel Bildmaterial dokumentiert.
Paralell bleiben vorläufig Animation, Illustration, Gestaltung und Webdesign mein zweites Standbein.